Diese Frage stellte mir im Sommer ein Bergsteiger auf der Jamtalhütte, als er mich mit meiner Fujifilm X100F fotografieren sah. „Das ist doch eine richtige Bergkamera“, meinte er.
(FUJIFILM X100F mit Built-In Lens @23.0mm, 1/125s, f/8.0 und ISO200)
Spoiler vorweg – für alle, die es kurz mögen: Nein. Ob eine Kamera für einen bestimmten Einsatzzweck geeignet ist, hängt immer vom individuellen Anspruch und Kontext des Fotografen oder der Fotografin ab und im Zweifelsfall, nehmt das Smartphone.
Trotzdem habe ich mir Gedanken gemacht – speziell aus Sicht eines Bergsteigers. Denn für mich ist die X100F (wie auch jede andere Kamera der X100-Serie) zumindest eine sehr gute Bergkamera.
(FUJIFILM X100F mit Built-In Lens @23.0mm, 1/400s, f/8.0 und ISO200)
Doch blicken wir zurück ins letzte Jahrhundert: Damals gab es keine speziell für Bergsteiger entwickelte Kamera. Man nahm, was verfügbar und tragbar war – stets ein Kompromiss aus Gewicht, Vielseitigkeit und Bildqualität.
Ein Blick auf die frühen Everest-Expeditionen zeigt das deutlich:
- 1924 versuchten George Mallory und Andrew Irvine den Gipfel zu erreichen – ob erfolgreich, bleibt bis heute ungeklärt. Dabei hatten sie eine Kodak Vest Pocket mit 72 mm Brennweite im Gepäck. Eingeklappt passte sie tatsächlich in eine Westentasche. Der verwendete Rollfilm (Format 127, 4 × 6,5 cm) entspricht dem Mittelformat – das Kleinbild war damals noch unbekannt
- Erst 1925 stellte Leitz die Leica I vor, die mit einem 35-mm-Kinofilm, dem aktuellen Kleinbildformat, arbeitete. Damit begann das erste „Leica-Paradoxon“: Während die Leica M heute für entschleunigte Fotografie steht, beschleunigte sie damals die Reportage-Fotografie – kompakt, schnell, serientauglich
- Sir Edmund Hillary dokumentierte 1953 die erste erfolgreiche Everest-Besteigung mit Tenzing Norgay – mit einer Kodak Retina IIa und einem 50-mm-Objektiv
die übrigens in Stuttgart gebaut wurde - Reinhold Messner und Peter Habeler verzichteten 1978 bei ihrer ersten Besteigung ohne Sauerstoff auf Fotos – stattdessen wurde mit einer präparierten Fujica-Super-8-Kamera gefilmt. Messner, bekannt für minimalistisches Equipment, war vermutlich mit einer Rollei 35 oder Minox 35 GT unterwegs. Eine Minox sah ich 1996 im Schloss Juval – leider ohne Hinweis auf die konkrete Expedition
- Reinhard Karl dokumentierte seine Besteigung des Everest zusammen mit Oswald Oelz, mit seiner Leica M4 und Leica CL – ausgestattet mit 40- und 50-mm-Objektiven. Als Fotojournalist legte er Wert auf hochwertige Bilder, nicht nur auf die Dokumentation
Was macht eine Kamera zur Bergkamera? Die folgenden Kriterien sind entscheidend – besonders beim anspruchsvollen Bergsteigen, nicht beim gemütlichen Wandern:
- Minimales Gewicht und geringer Platzbedarf
- Robuste Technik für extreme Bedingungen
Eine explizite „Bergkamera“ wurde nie gebaut. Doch einige Modelle erfüllen die Anforderungen hervorragend – nicht nur im Himalaya, sondern auch bei alpinen Klettertouren, Hochtouren oder Skidurchquerungen.
(FUJIFILM X100F mit Built-In Lens @23.0mm, 1/3200s, f/4.0 und ISO200)
Heute ist das Smartphone eigentlich immer dabei – leistungsstark, vielseitig, mit mehreren Objektiven. Für viele reicht das völlig aus und damit geht auch die erste Empfehlung für die Bergkamera an das Smartphone.
Wer jedoch bewusst fotografiert und vielleicht einen Hauch Nostalgie inne hat, greift zu kompakten Kameras mit ein wenig Charakter – etwa zur Fujifilm X100, Leica D-Lux oder Ricoh GR. Sie sind nicht zu schwer, kompakt und robust.
Natürlich bringen diese Kameras Einschränkungen mit sich: Keine deckt den gesamten Brennweitenbereich ab. Die Leica bietet mit ihrem 24–75-mm-Zoom noch die größte Flexibilität, aber ein echtes Tele ist das auch nicht. Die anderen setzen auf Festbrennweiten – mit, im Fall von Fujifilm, Vorsatzlinsen als Option. Das zwingt zur Panorama-Technik für Weitwinkel und zum Verzicht auf entfernte Motive.
Wie so oft stellt sich die Frage: Gehe ich zum Fotografieren in die Berge – oder zum Bergsteigen? Für mich ist die X100 ein guter Kompromiss. Sie mildert die fotografische Wehmut und ermöglicht dennoch das eine oder andere Bild.
Bleibt mir gewogen –
Euer Albfotograf
Ein interessanter Bericht. Danke auch für die vielen Hintergrundinformationen. Ich bin durch alle Systeme! Bis hin zum Fuji GFX Mittelformat.
Alles zu klobig und schwer um es schnell mal mitzunehmen!
Welchen „Fotoapparat“ ich letztlich mitnehme?
Immer wieder die Olympus PEN-F. Retroschick, klein, leicht und mit einer solchen Fülle an Möglichkeiten ausgestattet. Sie vermittelt mir nach Jahren noch immer das beste Gefühl zu „fotografieren“. Die X100 Serie von Fuji bin ich auch durchlaufen. Ebenfalls ein tolles, haptisches Erlebnis. Das bietet einfach kein Smartphone. Auch wenn es praktisch ist und immer dabei ist. Weiterhin viel Spaß beim Fotografieren.
LikeLike
Ja Detlef, da kann ich Dir zustimmen. Es geht um „das beste Gefühl zu fotografieren …“ und was die Olympus PEN-F angeht, sollte die als V2 kommen wäre das eine Sünde wert. Einfach weil es eine wunderschöne Kamera ist 🙂
LikeLike
Ja die x100 ist perfekt. Ich bin mittlerweile bei der Ricoh gr3 angekommen. Mir ist es wichtig, dass ich mit kleinem Gepäck in den Bergen bin, habe aber auch schon große Kameras mit Stativ gesehen.
jeder wie er will.
LikeLike
Ich trage die X100 in einer Gürteltasche, direkt am Rücksack für meine Hochtouren oder am Lawinenrucksack. Damit ist ein für mich annähernd perfekter Zugriff möglich, ohne das Teil absetzen zu müssen. Hätte ich die Tasche nicht gefunden, dann wäre die Suche nach einer „kleineren“ Kamera wahrscheinlich weiter gegangen oder ich hätte mal wieder selber an die Nähmaschine gemusst.
LikeLike